Stockdunkel war es als der Mercedes Unimog in der Nacht vom 25. auf den 26. April den Karlsplatz in Alem Katema zu ersten Mal überquerte. Am Tag hatte das orange Kommunalfahrzeug aus Vaterstetten noch seine neuen Nummernschilder in der Bezirkshauptstadt Debre Berhan bekommen, war dann aber wegen technischer Probleme zu spät losgekommen. Der große Bahnhof musste also zwei Tage später nachgeholt werden: In Anwesenheit des Gemeindeverantwortlichen für Öffentlichkeitsarbeit, Kay Rainer, wurde die Spende im Bürgersaal der Stadt offiziell übergeben. Vertreter aus allen Stadtbezirken waren hierzu eingeladen worden, die ihren Dank auch wortgewaltig zum Ausdruck brachten – nicht ohne auf den direkten Zusammenhang zwischen dem verehrten „Menschen für Menschen“-Gründer Karlheinz Böhm und der Partnerschaft hinzuweisen. Anschließend drehte das Fahrzeug mit menschenbeladener Ladefläche und Hupkonzert eine ausgiebige Ehrenrunde durch die Stadt – beklatscht und bejubelt von der Bevölkerung die, die Hauptstraße säumte. „Die Stadtverwaltung hatte bisher nur ein paar alten Toyota PKW und keine Möglichkeit schweres Material von A nach B zu transportieren“, begründet Bürgermeister Desta Andarge die große Freude in Alem Katema: „Der Unimog ändert alles!“
Begonnen hat die Reise am 12. Dezember 2017 in Vaterstetten – Bauhof-Mitarbeiter Ludwig Graßl fuhr den Oldie ein letztes Mal vom Hof und Richtung Bremerhaven, wo er auf die „Morning Christina“ verladen wurde. Kurz nach dem äthiopischen Weihnachtsfest am 7. Januar traf dann der Unimog in Dschibuti ein – der Kleinstaat ist im Moment der einzige nennenswerte Hafen, auf den das Binnenland Äthiopien zugreifen kann. Bevor der Mercedes am 20. Februar nach Addis Abeba fahren konnte, musste neben vielen Zollformalitäten noch ein wichtiges Detailgeklärt werden: Neben zwei offiziell deklarierten 1000-Liter-Wassertanks war nämlich auf der Ladefläche noch ein Fahrrad gefunden worden. Offensichtlich hatte sich jemand im Vaterstettener Bauhof gedacht, dass auch das Rad in Alem Katema eine Verwendung finden würde. Erst als 366 Dollar Strafe entrichtet wurden, konnte es weiter gehen – ohne das Fahrrad versteht sich, aber auch ohne die Wassertanks, auf die Alem Katema heute noch wartet.
In der äthiopischen Hauptstadt mussten dann noch die Dinge mit den äthiopischen Behörden geregelt werden – vor allem das Thema Steuern: die Importsteuer und weitere Steuern beliefen sich auf rund 6000 €. Nachdem es dem Partnerschaftsverein, der die ganze Organisation rund um den Unimog-Transport übernommen hatte, nicht gelungen war eine Steuerausnahme zu erwirken, hatte sich Alem Katema bereit erklärt diese Zahlung zu übernehmen. Die Stadt zahlte jedoch nicht aus eigenen Mitteln, sondern bekam das Geld vom Bundesland Amhara. Am 19. April kam dann endlich aus Addis Abeba das Signal: der Unimog kann abgeholt werden. Glücklicherweise war zu diesem Zeitpunkt gerade eine Delegation der Vaterstettener Partnerstadt in Alem Katema, um das Gefährt auch ordentlich begrüßen zu können.
Die Idee das verdiente Fahrzeug zu spenden ist allerdings schon ein paar Tage älter: Beim den Vorgesprächen über das Entwicklungszusammenarbeits-Projekt NAKOPA zwischen Vaterstetten und Alem Katema im Frühjahr 2016 kam Vaterstettens Finanzverwaltungs-Leiter Markus Porombka auf die Idee den Unimog in die Partnerstadt zu spenden. „Eine großartige Idee, die ich sofort unterstützt habe“, sagt Vaterstettens Bürgermeister Georg Reitsberger. Im Oktober 2016 nutzten dann Alem Katemas Bürgermeister Desta Andarge und Partnerschaftssekretär Desalegn Wondimneh einen Besuch in Vaterstetten, das Fahrzeug zu begutachten. Wer Alem Katemas leeren Fuhrpark kennt, kann verstehen, dass es Liebe auf den ersten Blick war. Bauhofleiter Gerd Jansen ließ anschließend den TÜV machen und besorgte noch zwei Wassertank für die Ladefläche – ein Wunsch, der von äthiopischer Seite kam.
Nachdem der Partnerschaftsverein 2017 auch eine Übernehme der Transportkosten von Bremerhaven nach Dschibuti durch das Entwicklungsministerium (Engagement Global) genehmigt bekam, hätte der Mercedes eigentlich seine Reise antreten können. Allerdings versuchte der Verein bis zum Schluss vergeblich von den äthiopischen Zollbehörden eine Ausnahme für die Importsteuer auf das Fahrzeug zu bekommen. Erst als die Verantwortliche aus Alem Katema im November signalisierten, diese Kosten aus er Gemeindekasse selbst zu übernehmen, war der Weg frei, um den Unimog auf die Reise zu schicken. „Dieser finanzielle Betrag zeigt, wie wichtig unserer Partnerstadt das Fahrzeug ist“, sagt der Vorsitzende des Vereins „Partnerschaft mit Alem Katema“ Anton Stephan: „Das besten Zeichen, dass diese Investition von Zeit und Geld nachhaltig ist.“
Damit der Mercedes auch noch viele weitere Jahre in Alem Katema seinen Dienst tun kann, werden dort junge Leute der Berufsschule trainiert werden, um ihn fahren, warten und reparieren zu können. Dieses System wurde aus dem NAKOPA-Projekt („Nachhaltige Kommunalentwicklung durch Partnerschaftsentwicklung“ – durch den Bund finanziert) kopiert, im Rahmen dessen die Gemeinde Vaterstetten gerade einen Frontlader-Traktor mit unterschiedlichen Anhängern gekauft hat bzw. kaufen wird. In Addis, neu und zu 90 Prozent vom deutschen Staat finanziert. Im Herbst werden diese Fahrzeuge feierlich in der äthiopischen Partnerstadt eingeweiht werden. Der Unimog wird aber ganz bestimmt ein besonderes Symbol der Freundschaft zwischen Vatersteten und Alem Katema bleiben. Das Jahr in dem der in Vaterstetten angeschafft wurde, 1994, ist nämlich auch das Gründungsjahr der Partnerschaft.